Ein Netzwerk fürs selbstbestimmte Leben
Seit 1954 – damals war sie gerade mal 20 Jahre jung – lebt Edith Sell in einem typischen Zechenhaus der Gladbecker Gartenstadt-Siedlung in Zweckel. Mit dem Haus sind viele Erinnerungen verbunden: glückliche Ehejahre und das Heranwachsen ihrer beiden Söhne etwa. Die sind heute lange erwachsen und ausgezogen. Und seit dem Tod ihres Mannes vor sieben Jahren lebt sie allein dort.
Bis vor etwa zwei Jahren kam sie auch gut zurecht. Dann hatte sie einen Schlaganfall, und eine leichte Demenz machte sich zunehmend bemerkbar. Ihr Sohn Thomas sah sich deswegen nach Unterstützung um und fand sie beim ambulanten Pflegedienst der AWO im Stadtteil, nur wenige Minuten entfernt. „Das war eine pragmatische Entscheidung: Ich habe geschaut, was es in der Umgebung gibt, und bei der AWO bekomme ich alles aus einer Hand“, sagt er. „Sonst hätte ich für den Hausnotruf, die Pflege und die Betreuung noch unterschiedliche Dienste gebraucht.“
Edith Sell erhielt auf Antrag ihres Sohnes zunächst den Pflegegrad 2. „Wir haben Frau Sell anfangs täglich bei Kompressionsstrümpfen und Medikamentengabe unterstützt, aber nur zweimal wöchentlich bei der Grundpflege – das war unzureichend“, erinnert sich Pflegedienstleiterin Nadine Hutzel. „Die AWO hat mich dann beim Höherstufungsantrag unterstützt“, sagt Thomas Sell. Mit Erfolg: Seit Jahresbeginn hat seine Mutter nun Pflegegrad 3. Seitdem unterstützt die AWO sie bei der Grundpflege. Heute ist Mariola Karakus außerdem zur wöchentlichen rund einstündigen Betreuung da. Dann spielen sie „Mensch, ärgere dich nicht“, gehen zusammen einkaufen, wenn ihr Sohn es mal nicht schafft, oder unterhalten sich einfach. „Wir haben ein gemeinsames Fable fürs Gärtnern“, sagt Mariola.
Vom Wohnzimmer fällt der Blick in den großen sonnigen Garten. Da verbringe sie viel Zeit, sagt Edith Sell. Bis vor kurzem hatte sie nur noch wenige soziale Kontakte, abgesehen von den Besuchen ihres Sohnes, der nicht weit weg wohnt. „Mein älterer Bruder lebt in Erfurt, da ist das natürlich schwieriger“, sagt Thomas Sell. Als Freiberufler ist er zeitlich flexibel. Auch das sei ein Glücksfall und nicht selbstverständlich, weiß Mariola Karakus. Denn ganz ohne die Unterstützung von Angehörigen sei es schwieriger, den Menschen ein selbstbestimmtes, glückliches Leben zu Hause zu ermöglichen. Gemeinsam konnten sie Edith Sell auch überzeugen, zunächst einmal wöchentlich auch die Tagespflege der AWO im Haus Zweckel zu besuchen. Auch dort wird gespielt, gekocht und gelesen. „Das ist prima“, sagt Edith Sell. Mariola entgegnet: „Habe ich Ihnen doch gesagt!“ Erst habe sie nämlich nicht gewollt. Der Kontakt zu Gleichaltrigen sei wichtig, so die Pflegefachkraft.
Das kann Edith Sells Sohn Thomas bestätigen, der die Tagespflege zum Osterbrunch besuchte. „Die geben sich da viel Mühe, und die Stimmung war schön.“ Er hat bereits die Wohnraumberatung der AWO in Anspruch genommen, wenngleich er den barrierefreien Umbau des Bades schon in Eigenregie veranlasst hatte. Kürzlich entschied man gemeinsam, das Schlafzimmer von der ersten Etage ins Erdgeschoss zu verlegen und ein Pflegebett zu bestellen. „Die Beratung hat uns auf viele Kleinigkeiten aufmerksam gemacht, zum Beispiel auf Teppichkanten, die zur Stolperfalle werden können. Das war wirklich hilfreich.“
Edith Sell ist froh, dass sie auf absehbare Zeit in ihrem trauten Heim mit den vielen Erinnerungen und dem geliebten Garten bleiben kann. Ein Alten- oder Pflegeheim kommt für sie nicht infrage: „Da gehe ich kaputt!“, habe sie mal zu ihm gesagt, erinnert sich Sohn Thomas.
INFO
Pflegedienst West
Nadine Hutzel
Dorstener Straße 11
45966 Gladbeck
Tel.: 02043 983714
Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „AWO erleben!“. Die gesamte Ausgabe steht hier zum Download bereit.