Ein Gewinn für alle Seiten

Seit drei Monaten ist Saskia Crosberger als Fachberaterin für die Großtagespflegen im Unterbezirk verantwortlich. Gemeinsam mit Markus Wallmeier, Bereichsleiter Kinder und Familien, erklärt sie, warum die Großtagespflege eine wichtige Alternative zur Betreuung in Kindertagesstätten ist.

Text: Sophia Schalthoff
„Bauherren“ für Großtagespflege im AWO Unterbezirk: Saskia Crosberger und Markus Wallmeier. Foto: Christian Kuck

AWO erleben: Der Unterbezirk betreibt als Träger 82 Kindertagesstätten. Im letzten Jahr sind drei Großtagespflege-Einrichtungen unter AWO-Trägerschaft eröffnet worden: zwei in Rhede, eine in Isselburg. Warum trotz Fachkraftmangel ein weiteres Angebot an Kinderbetreuung?

Markus Wallmeier: In vielen Kommunen fehlen Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Die Großtagespflege ist eine Möglichkeit, schnell zusätzliche U3-Plätze zu schaffen. Als die Anfrage aus Rhede kam, ob wir uns das vorstellen können, haben wir gute Gespräche geführt und uns entschieden, mit Großtagespflegestellen in Rhede und Isselburg zu starten.

Saskia Crosberger: Großtagespflege steht nicht in Konkurrenz zu den Kindertagesstätten, wir müssen keine Fachkräfte anwerben, die in den Kitas fehlen. Zusätzlich müssen nicht erst neue Gebäude gebaut werden, da für die Großtagespflege auch hier andere Maßstäbe gelten. Es reicht eine Fläche von cirka 120 Quadratmetern.

AWO erleben: Kein Fachpersonal klingt erst einmal nach weniger Qualität. Wie stellt die AWO als Träger sicher, dass Kinder in der Großtagespflege dennoch bestens betreut werden?

Markus Wallmeier: Die Betreuung in Kitas ist nicht mit der in der Großtagespflege vergleichbar. Hier werden die Kinder in einer kleinen Gruppe und in einem familienähnlichen Rahmen betreut. Dafür ist eine Ausbildung als Erzieher:in nicht notwendig. Trotzdem müssen Großtagespflegepersonen eine Qualifizierung vorweisen (Anmerkung Redaktion: siehe Seite 12). Nur mit dieser bekommen sie eine Pflegeerlaubnis. In der Corona-Pandemie konnten Kitas zur Unterstützung Alltagshelfer:innen bzw. Kita-Helfer:innen einstellen. Diese sind keine Fachkräfte, dennoch haben wir ihre Arbeit sehr zu schätzen gewusst. Einige von ihnen haben festgestellt, dass sie sich einen Quereinstieg in die Kinderbetreuung vorstellen könnten, möchten aber nicht mehr die Ausbildung zum:zur Erzieher:in absolvieren. Wir freuen uns daher, dass wir ihnen mit der Qualifizierung zur Großtagespflegeperson eine berufliche Anschlussperspektive anbieten konnten.

Saskia Crosberger: Die Tagespflege hat sich ja bereits seit Jahren bewährt, viele Eltern nutzen die Betreuung durch Tagesmütter oder -väter. Die Großtagespflege ist hier eine weitere Option, die sowohl den Tagespflegepersonen als auch den Eltern mehr Sicherheit bietet. Die Tagespflegepersonen sind bei einem Träger beschäftigt und nicht selbstständig tätig. Sie sind also nicht alleine für die Finanzierung und Ausstattung zuständig. Für Eltern bedeutet ein Träger immer mehr Betreuungssicherheit. Vor allem, wenn es um Fehlzeiten geht.

„Mit der Großtagespflege können wir schnell dringend benötigte U3-Plätze schaffen ohne den strapazierten Fachkraftmarkt weiter zu belasten.“

Saskia Crosberger

AWO erleben: Stichwort Finanzierung: Im KiBiz ist die Finanzierung der Kitas gesetzlich geregelt. Gilt das für Großtagespflegestellen ebenfalls?

Markus Wallmeier: Obwohl die Großtagespflege ebenfalls im KiBiz verankert ist, gibt es für sie keine landesweit einheitliche und dabei auskömmliche finanzielle Regelung. Da müssen wir als Träger mit jeder Kommune einzeln über die Ausgestaltung verhandeln. Wünschenswert wäre hier, wenn der Gesetzgeber eine einheitliche Regelung festlegt, die ausfinanziert ist und keine weiteren Verhandlungen mit den Kommunen erfordert. Generell ist die Großtagespflege aufgrund ihrer Betreuungsform etwas kostenintensiver als beispielsweise eine Kitagruppe in Gruppenform 2. Rechnet man allerdings den Eigenanteil des Trägers dagegen und berücksichtigt die wesentlich höheren Investitionskosten für den Bau einer Kita, bewegen sich die Kosten eines Betreuungsplatzes auf annähernd gleichem Niveau.

AWO erleben: Welche Voraussetzungen gelten, um eine Großtagespflege zu eröffnen?

Saskia Crosberger: Es können neun Kinder in einer Großtagespflege betreut werden. Fünf sind einer Großtagestagespflegeperson fest zugeordnet, die anderen vier Kinder einer zweiten Großtagespflegeperson. Eine dritte Pflegeperson komplettiert das Team als Vertretung, ist aber jeden Tag fest in der Großtagespflege und unterstützt bei allen anfallenden Aufgaben. Als Räumlichkeiten können beispielsweise Wohnungen genutzt werden.

AWO erleben: Ist die Großtagespflege mehr als eine kurzfristige Lösung als Betreuungsmöglichkeit für Kinder unter drei Jahren?

Markus Wallmeier: Alle Änderungen im KiBiz haben auch die Großtagespflege beinhaltet, das zeigt, das ist nicht nur eine kurzfristige Möglichkeit. Fakt ist, es fehlen viele Kita-Plätze und viele Vollzeitkräfte. Allein in unserem Unterbezirk fehlen jede Woche 1.560 Erzieher:innen-Stunden. Diese Situation wird sich so schnell nicht ändern. Die ins Leben gerufenen Projekte, um mehr Menschen für die Erzieher:innen-Ausbildung zu gewinnen, sind bislang noch nicht so erfolgreich, wie sie es sein müssten. Ich gehe davon aus, die Tagespflege verschwindet in den nächsten 15 Jahren nicht. Wir werden sie eher ausbauen als einstampfen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, mit Saskia Crosberger den Großtagespflegepersonen eine Fachberaterin zur Seite stellen. Sie ist verantwortlich für Konzepte, deren Umsetzung und ist in der Kommunikation mit den Kommunen für Absprachen und Planungen künftiger Großtagespflegen.

AWO erleben: Vielen Dank für das Gespräch.

 

INFO

Fachberatung Kindertagespflege
Saskia Crosberger
Clemensstraße 2-4
45699 Herten
Tel.: 02366 1091122

Dieser Artikel stammt aus unserem Magazin „AWO erleben!“. Die gesamte Ausgabe steht hier zum Download bereit.